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Reiseberichte
Bernhard

Piz Morteratsch über den Spraunzagrat (20.09.2003)

Die Aussicht auf einen der wahrscheinlich schönsten Herbsttage im Jahr 2003 veranlassten Bernhard und mich sehr kurzfristig zu einem Kurzausflug ins Engadin. Die knappen Zeitvorgaben konnten wir so gerade umsetzen:

    13:00 Uhr Schule aus;13:30: Mittagessen und Packen;14:15 Uhr Abfahrt aus Benediktbeuern;17:30 Ankunft in Pontresina - Morteratsch Parkplatz (Parkgebühren SFr. 7.50/Tag!);18:45 Ankunft auf der Boval-Hütte (2450m)

Wider erwarten war die Hütte fast leer und wir konnten uns in dem wunderschönen großen Lager nach Belieben ausbreiten.

Aufbruch von der Hütte am nächsten morgen war um ca. 6:00 Uhr bei wolkenlosem Himmel, Windstille und für die Jahreszeit sehr angenehmen Temperaturen. Der Weg von der Hütte zum Einstieg der von uns gewählten Route war nicht ganz leicht zu finden.Deutliche Trittspuren, geschweige denn Markierungen, aber noch nicht einmal die sonst weit verbreiteten Steinmännchen sucht man hier vergebens. Auch der laut Führer beschriebene “große Steinmann” am eigentlichen Klettereinstieg ist nicht (mehr) vorhanden.

Mit etwas Gefühl fürs Gelände und auch etwas Glück haben wir dann doch den richtigen Einstieg gewählt und gewinnen langsam an Höhe. Wir bewegen uns durchweg im 3er bis 4er Gelände, wobei auch hier ein gewisser Glücksfaktor dabei ist, ob man die ideale bzw. leichteste Route wählt, da eine eindeutige Richtung nur selten vorgegeben ist. Bei der Felsqualität muss man besonders in den unteren Abschnitten schon genau hinschauen, wo man sich festhält bzw. hintritt, da hier relativ oft lockeres  Gestein herumliegt. Zwischendurch empfiehlt sich durchaus ein seilfreies Klettern, da die Seilhandhabung im leichteren Gelände mit der verbundenen Gefahr der Steinschlagauslösung recht umständlich und relativ zeitaufwendig ist. Spätestens ab dem “plattigen Gratturm” ist jedoch wieder Anseilen angesagt. Hier geht es das erste mal etwas ernsthafter zur Sache. Der richtige Weg führt gerade hinauf und auf der anderen Seite an der einzigen auf dieser Tour eingerichteten Abseilstelle wieder hinunter. Man sollte sich nicht dazu verleiten lassen, den Gratturm  - wie im Führer etwas ungenau beschrieben - an dieser Stelle zu früh auf der linken Seite durch eine steile Abwärtsrinne zu umgehen. Leider wählten wir diesen Weg, der sich hinterher als falsch herausstellte. Wir passierten den Gratturm links unterhalb im schwer abzusichernden Gelände, um nach ca .200 Meter festzustellen, dass dies wohl nicht die “Ideallinie” war. Wir waren inzwischen ziemlich tief in der Bergflanke und hatten einen Kletteranstieg zum Grat zurück vor uns, der alles andere als leicht war (5). Wie man an diversen zurückgelassenen Schlingen erkennen konnten, waren wir auch nicht die ersten, die diesen “Verhauer” gewählt hatten, der uns bestimmt 2 Stunden Zeit gekostet hat.

Zurück am Grat bzw. am Ende des Gratturmes begann dann endlich eine schöne Kletterei in durchweg gutem Fels. Der Weg zum Gipfel zieht sich jedoch, insbesondere wenn die Felsen - wie in unserem Fall - im oberen Teil mehr und mehr schneedurchsetzt waren. Die Orientierung wird jedoch zunehmend leichter, wenn man sich immer in Gratnähe aufhält. Es gibt zwar sicherlich viele Passagen, die man bei genauer Ortskenntnis einfacher und somit schneller überwinden kann, aber man steht eigentlich nie vor größeren Hindernissen.

Auf ca. 3600m Höhe ist die Kletterei zu Ende und man kann die letzten Meter auf einem steilen Schneefeld bewältigen. Der Gipfel wird nicht zu Unrecht als einer der schönsten Aussichtsberge des Engadins bezeichnet, insbesondere wenn er sich - wie an diesem Tag- in seiner schönsten Form präsentierte.

Erst gegen 16:00 Uhr verließen wir den Gipfel (immer noch im T-Shirt bekleidet) und begannen mit dem Abstieg über die Normalroute ins Morteratschtal zurück. Hier ist relativ kurz unter dem Gipfel noch eine extrem steile und nicht ganz ungefährliche Gletscherpassage zu erwähnen, die aufgrund der blanken Verhältnisse sehr sicheren Umgang mit Steigeisen und Pickel - insbesondere beim Abstieg - verlangte. Ab dem Boval Sattel kann man dann abseilen. Es folgt noch eine gut markierte Abkletterei (2) über eine ca. 200 Meter hohe Steilstufe in festem Fels und von dort geht es über Schutt und Geröll bis zur Hütte und anschließend bis ins Tal zurück. Gegen 20:00 waren wir mit dem allerletzten Büchsenlicht wieder am Auto am Bahnhof Morteratsch.

Zusammengefaßt ist dies eine Super- Rundtour, bei der man allerdings eine gute zeitliche Sicherheitsreserve - vor allem wegen der Orientierung und der komplett selbst vorzunehmenden Absicherung - einplanen und somit nicht zu spät aufbrechen sollte.

 

Bernhard und Stefan

 

 

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